3. Zins- und Lizenzrichtlinie 2003/49/EG

Die Zins- und Lizenzrichtlinie soll gewährleisten, dass Einkünfte in Form von Zinsen und Lizenzgebühren (nur) einmal in einem Mitgliedstaat besteuert werden. Dadurch soll eine Doppelbesteuerung, insbesondere bei Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedsstaaten sowie zwischen Betriebsstätten derartiger Unternehmen, verhindert werden. Die Zins- und Lizenzrichtlinie sieht vor, dass für Zinsen und Lizenzgebühren keine Quellensteuer erhoben werden darf, und zwar unabhängig von der Form der Erhebung. Das alleinige Besteuerungsrecht liegt im Staat des ausländischen, die Zahlungen empfangenden Unternehmens.

Voraussetzungen hierfür sind eine unmittelbare Beteiligung von mindestens 25 % sowie eine Mindestbehaltensfrist von ununterbrochen 2 Jahren (wobei hinsichtlich der Mindestbehaltensfrist ein Wahlrecht der Mitgliedstaaten vorgesehen ist, die Frist kann, muss aber nicht vorgesehen werden). Außerdem kann der Quellenstaat bestimmte Nachweise in Form von Bestätigungen verlangen.

Die Zins- und Lizenzrichtlinie war von den Mitgliedstaaten bis zum 01.01.2004 in innerstaatliches Recht umzusetzen. In Deutschland war die fristgerechte Umsetzung zunächst unterblieben, weshalb hinsichtlich der daraus resultierenden unmittelbaren Anwendung der Richtlinie durch das BMF-Schreiben vom 26.04.2004 eine vorläufige Regelung getroffen wurde. Die deutsche Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie erfolgte schließlich durch die Schaffung der §§ 50g und 50h EStG.[1]

Der vorgeschriebene Verzicht auf Quellenbesteuerung ist in § 50g Abs. 1 EStG umgesetzt, der die materiellen Bestimmungen zur Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie enthält.

Das Entlastungsverfahren lehnt sich eng an das für die Entlastung von Quellensteuern nach DBA vorgesehene Verfahren an, die Nichtbesteuerung in Deutschland ist daher antragsabhängig. Unter die Zins- und Lizenzrichtlinie fallen nur Unternehmen bestimmter Rechtsformen, diese sind in Anlage 3 Nr. 1 des EStG aufgeführt.

  • 50g Abs. 2 EStG regelt die Fälle der Zahlung von Zinsen und Lizenzgebühren, auf die die Befreiung nach der Zins- und Lizenzrichtlinie nicht anzuwenden ist. Dies sind zum einen Zinsen, die nach dem Recht des Staates, aus dem sie stammen, als Gewinnausschüttungen angesehen werden (z. B. Zinsen, die nach § 8 Abs. 3 Satz 2, § 8a KStG als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen sind). Nicht anwendbar ist die Befreiung nach der Zins- und Lizenzrichtlinie auf „gewinnabhängige Zinsen“, d. h. auf Zinsen aus partiarischen Darlehen und Gewinnobligationen sowie Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und solche aus Genussrechten und auf unangemessen hohe Zinsen und Lizenzgebühren, die Fremdvergleichspreise übersteigen.
  • 50g Abs. 3 EStG enthält die zur Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie erforderlichen Definitionen, wie z. B. die Definitionen für den „Nutzungsberechtigten“, für die „Zinsen und Lizenzgebühren“, für das „Unternehmen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union“, das „verbundene Unternehmen“ und die „Betriebsstätte“.
  • 50g Abs. 4 EStG trifft eine Missbrauchsregelung, wenn hauptsächlicher Beweggrund für Geschäftsvorfälle die Steuervermeidung ist.

Nach § 50g Abs. 5 EStG werden Entlastungen von der Kapitalertragsteuer für Zinsen und der Steuer gemäß § 50a EStG nach einem DBA, die weiter gehen als nach § 50g Abs. 1 EStG, durch diesen nicht eingeschränkt.

Die materiellen Bestimmungen der Zins- und Lizenzrichtlinie werden durch Verfahrensregelungen begleitet, die eine rasche und effektive Entlastung von Quellensteuern sicherstellen sollen; im deutschen Recht geschieht dies durch § 50h EStG. Das zuständige Finanzamt des Ansässigkeitsstaates oder der Betriebsstätte muss die Ansässigkeit bzw. die Belegenheit im Inland bescheinigen.

Bulgarien kann bis zum 31.12.2014 noch Quellensteuern erheben. Im Verhältnis zu Bulgarien bedarf es in dem Staat des die Vergütungen empfangenden Unternehmens oder der als Empfänger geltenden dort gelegenen Betriebsstätte übergangsweise geltender Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Diese werden in Ergänzung zu den DBA mit diesen Staaten in § 26 KStG getroffen.

Gemäß Art. 1 der Zins- und Lizenzrichtlinie hat der Quellenstaat die zuviel einbehaltene Quellensteuer innerhalb eines Jahres nach dem ordnungsgemäßen Erhalt des Antrags und der rechtfertigenden Angaben zu erstatten. Erfolgt die Erstattung nicht innerhalb dieser Frist, so hat das empfangende Unternehmen einen Anspruch auf Verzinsung der Steuer. Die Verzinsung der nach § 50d Abs. 1 EStG auf Antrag zu erstattenden Beträge regelt § 50d Abs. 1a EStG.

Der EuGH[2] entschied, dass die hälftige Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG a. F. mit der Zins- und Lizenzrichtlinie in Einklang steht. Es verstoße nicht gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie, wenn Darlehenszinsen, die ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes verbundenes Unternehmen zahlt, der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden, der das erstgenannte Unternehmen unterliegt, urteilte der EuGH. So dürfen Zinsen für einen Kredit, den eine ausländische Mutter der deutschen Tochter gewährt, bei dieser über die Hinzurechnung der Gewerbesteuer unterworfen werden.

[1] Durch das EG-Amtshilfe-Anpassungsgesetz, BGBl I 2004 S. 3112, in Kraft seit 08.12.2004. Aktuelle Fassung des § 50g EStG aufgrund des JStG 2008 vom 20.12.2007, BGBl I S. 3150; aktuelle Fassung des§ 50h EStG aufgrund des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19.07.2006, BGBl I S. 1652.

[2] EuGH vom 21.06.2011, C-397/09, BStBl II 2012 S. 528. Die Entscheidung des EuGH erging auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 27.05.2009, I R 30/08, DStR 2009 S. 2191. Der BFH folgte dem EuGH, vgl. Urteil vom 07.12.2011, I R 30/08, BStBl II 2012 S. 507.